Circular Talk mit Stephan Bachmann, CEO von World of Pi

“Wer heute schon zirkuläre Kriterien fordert, verändert nicht nur das eigene Produktportfolio – sondern den Markt.”

Wie bleibt eine Branche profitabel, wenn weniger verkauft werden soll? Stephan Bachmann, ehemaliger CEO von Architonic, setzt mit seinem Start-up World of Pi auf die Antwort der Zukunft: Zirkularität. Im Circular Talk mit CLIMATEX spricht er über smarte Produktpässe, digitale Infrastrukturen und warum der Wandel in der Interior- und Architekturbranche nur dann gelingt, wenn Produkte selbst zum Wertträger werden.

 

CLIMATEX: Von Architonic zu World of Pi – erzählst du uns, wie dein Weg dich zur Gründung eines Start-ups für zirkuläre Produktlösungen geführt hat?

Stephan Bachmann: Ich habe Informatik studiert und war später CEO von Architonic, ArchDaily und Designboom – Plattformen, die tief in der Design- und Architekturwelt verankert sind. Mit World of Pi begleiten wir genau diese Branchen in eine nachhaltige Zukunft: Wir entwickeln digitale Lösungen, wie smarte Produktpässe, die es für Herstellende einfacher machen, Produkte im Kreislauf zu halten und dabei neue Geschäftsmodelle zu erschliessen.

Was sind eure konkreten Ziele mit World of Pi?

Wir wollen wirtschaftliches Wachstum vom Ressourcenverbrauch abkoppeln, die Circular Economy als Norm etablieren und als digitale Infrastruktur für die zirkuläre Möbelindustrie fungieren. Unser Ziel ist es, in den nächsten Jahren möglichst viele Produkte smart zu machen, um Nachverfolgung, Pflege, Reparatur, Wartung, Ersatzteilbestellung, Rückholung und Wiederverkauf zu vereinfachen. Es geht um neue Einnahmequellen für Herstellende, während diese dafür sorgen, dass ihr Produkt länger lebt.

«Die Branche will nicht noch eine Insellösung, sondern eine Infrastruktur, die mitwächst.»

Stephan Bachmann
CEO & Co-Founder World of Pi

Ihr habt schon ein spannendes Brand-Portfolio für World of Pi gewinnen können. Was hörst du aus der Branche?

Unsere Partner – von Zumtobel über Girsberger bis Ruckstuhl – sie alle setzen auf unsere digitalen Lösungen wie smarte Produktpässe oder Recommerce-Shops. Was wir hören ist, dass der Wille zur Veränderung da ist, es aber einfache, skalierbare Lösungen braucht. Zudem will die Branche nicht noch eine Insellösung, sondern eine Infrastruktur, die mitwächst.

Ihr bietet Antworten auf die Frage «Wie bleiben Herstellende profitabel, wenn nachhaltiges Handeln bedeutet, dass weniger neue Produkte verkauft werden?» – kannst du das ausführen?

Herstellende bleiben profitabel, indem sie bestehende Produkte zu Akteuren für neue Wertschöpfung machen. Ein einfacher Scan des QR-Codes – beispielsweise bei einem Parkettboden – und es können passende Pflegemittel bestellt werden. So lebt der Boden länger und der Hersteller verdient. Oder über einen kaputten Bürostuhl werden Servicemitarbeitende bestellt. Somit werden zirkuläre Prozesse effizienter und Geldverdienen ein Teil davon.

Wer auf zirkuläre Prozesse setzt, wird resilienter – wirtschaftlich und ökologisch.

Wieviel neue, respektive «virgin» Rohstoffe können wir denn heute überhaupt noch verantworten?

So wenige wie möglich. Nicht nur wegen der Umwelt, sondern weil Abhängigkeiten, geopolitische Risiken und steigende Preise die Materialbeschaffung zunehmend erschweren. Wer auf zirkuläre Prozesse setzt, wird resilienter – wirtschaftlich und ökologisch. Doch zuerst müssen Produkte reparierbar und fürs Recycling gedacht und gemacht werden.

Stichwort Digitaler Produktpass (DPP): Die EU will diesen 2027 einführen, der Markt ist zwei Jahre vorher noch nicht bereit. Wie könnt ihr hier unterstützen?

Unsere smarten Produktässe erfüllen die Anforderungen an den DPP schon heute – mit sehr geringem Aufwand für Herstellende. Wir integrieren unsere smarten Produktpässe in bestehende Systeme, und ermöglichen es unseren Partner:innen, regulatorisch vorbereitet zu sein – ohne eigene IT-Projekte starten zu müssen. Ein erwähnenswertes Leuchtturmprojekt ist hier Zumtobel, einer der weltweit führenden Leuchtenhersteller. Nach einem erfolgreichen Pilotprojekt wird unser smarter Produktpass für die Leuchte «Izura» nun im gesamten Markt ausgerollt. Zudem haben wir ein digitales Servicebuch für die Wartung von Produkten entwickelt: Über denselben QR-Code am Produkt lassen sich verschiedene Zugriffsrechte vergeben und unterschiedliche Funktionen aktivieren.

Im Bereich Circular Economy habt ihr auch das Thema Resell und Re-Commerce im Fokus. Wie geht ihr das an?

Mit Resell schliessen wir den Kreis. Wir sind überzeugt, dass Herstellende an ihren langlebigen und reparierbaren Produkten mitverdienen sollten. Die meisten verschenken die Secondlife-Einnahmen an Ebay und andere Plattformen. Deshalb erstellen wir für Marken Re-Commerce-Shops. In einem weiteren Schritt möchten wir unsere smarten Produktpässe direkt mit diesen Shops verbinden, um dieses Geschäftsmodell erheblich zu vereinfachen.

Viele Prinzipien wie Transparenz, zirkuläre Nutzung und der Bedarf nach einer attraktiven Kommunikationsschnittstelle am Produkt gelten genauso für Sportartikel, Textilprodukte oder die Bauteilindustrie.

Das Gründungsteam von World of Pi kommt aus dem Bereich Architektur, Interior und Möbel. Gibt es Branchenlösungen, die auch für andere Industriezweige spannend sind?

Unser Ursprung liegt klar in der Möbel- und Innenarchitekturwelt – dort kennen wir die Prozesse, Herausforderungen und Marktmechanismen im Detail. Gleichzeitig denken wir unsere Lösungen von Anfang an so, dass sie auf andere Branchen übertragbar sind. Viele Prinzipien wie Transparenz, zirkuläre Nutzung und der Bedarf nach einer attraktiven Kommunikationsschnittstelle am Produkt, gelten genauso für Sportartikel, Textilprodukte oder die Bauteilindustrie. Wir sind offen für neue Branchen – vor allem, wenn dort ähnliche Herausforderungen bestehen.

Wie viele Berührungspunkte habt ihr mit der Textilbranche? Gibt es da Ideen oder Ratschläge, die du mit uns teilen kannst?

Wir sind aktuell mit Rrrevolve – einem Schweizer Retailer und Pionier für nachhaltige und faire Kleidung – an einem zirkulären Textilprojekt beteiligt. Das Ziel: Konsument:innen sollen nachverfolgen können, aus welchen Textilsammlungen ihr T-Shirt entstanden ist und wie es wieder zurück in den Kreislauf gebracht werden kann. Das zeigt, wie sich mit einem smarten Produktpass und einfacher Rückführungslogistik auch in der Textilbranche neue, glaubwürdige Modelle umsetzen lassen.

Beim Thema Recycling sind – zumindest in der Textilbranche – aufgrund der Recycling-Komplexität systemische Lösungen im Moment die Vorreiter für Kreislaufwirtschaft. Wie sieht das bei euch aus?

Unsere smarten Produktpässe können Informationen über Inhaltsstoffe und Recycling abbilden. Wir setzen mit unserer Lösung aber bewusst viel früher an: Nutzung verlängern, Produkte im Umlauf halten, Wartung, Remanufacturing usw. ermöglichen. Erst wenn das alles ausgeschöpft ist, kommt Recycling ins Spiel. Für systemische Lösungen braucht es dafür vor allem eines: verlässliche Daten und eine digitale Identität.

Besonders viel Potenzial sehe ich in der Beschaffung: Wer heute schon zirkuläre Kriterien fordert, verändert nicht nur das eigene Produktportfolio – sondern den Markt.

Wo siehst du im Moment Potenziale für die Circular Economy?

Überall dort, wo langlebige Produkte genutzt werden (oder in Kellern verstauben): im öffentlichen Raum, in Büros, in der Bildung. Besonders viel Potenzial sehe ich in der Beschaffung: Wer heute schon zirkuläre Kriterien fordert, verändert nicht nur das eigene Produktportfolio – sondern den Markt. Und dieser verlangt immer mehr nach pre-loved Produkten.

Welche Hürden müssen dafür genommen werden?

Viele sprechen von Circular Economy – aber solange bei der Produktherstellung und -bestellung keine konkreten Anforderungen gestellt werden, bleibt das Theorie. Wir sehen, dass sobald eine Kundin unserer Partner:innen zirkuläre Kriterien vorgibt, entsteht Bewegung. Gemeinden, KMUs und Konzerne haben die Chance, durch klare Vorgaben bei der Beschaffung echte Veränderung anzustossen – mit Wirkung auf die gesamte Lieferkette und einem messbaren Nachhaltigkeitsbeitrag.

Wohin der Weg mit World of Pi?

Unser Ziel ist kein digitaler Zwilling um seiner selbst willen – sondern smarte Produkte, die Herstellenden und ihren Kund:innen echten Mehrwert bieten und so die Transformation von der Wegwerfwirtschaft in die Circular Economy vorantreiben. Wir wollen Standards setzen, die für die ganze Branche funktionieren – und in den nächsten Jahren Schritt für Schritt weitere Industrien erschliessen.

world-of-pi.com



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