Circular Talk mit Yannik Zamboni von Maison Blanche

“Wenn ich keinen Impact habe, braucht mich diese Industrie nicht.”

Yannik Zambonis Mode ist nicht nur vegan, geschlechtsneutral, politisch und stets in Weiss gehalten, sie ist auch sozial fair, plastikfrei und durch und durch zirkulär. Der Schweizer Modedesigner, der mit seiner Teilnahme an der Mode-Realityshow «Making the Cut» einem internationalen Publikum bekannt wurde, erklärt, warum er die Textilindustrie von innen heraus revolutionieren will. Ein Gespräch über konsequente Grundsätze, finanzielle Krisen, Heidi Klum und zirkuläre Socken.

 

CLIMATEX: Heute führst du mit Maison Blanche eines der kompromisslosesten Labels der Schweiz – mit internationaler Strahlkraft. Wie hat das alles angefangen?

Yannik Zamboni: 2020, einen Tag vor dem Lockdown, hatte ich mein Mode-Design-Diplom in der Tasche. Doch dann war plötzlich alles dicht: Mein Geld war fürs Studium draufgegangen, ins Ausland zum Arbeiten konnte ich nicht – und ich wohnte wieder bei meiner Mutter. Dafür hatte ich nicht viereinhalb Jahre studiert.

Wie hast du dich da rausgekämpft?

Ich habe mich in ein leerstehendes Pfarrhaus eingemietet – im Tausch erledigte ich den Hausputz. Parallel beantragte ich eine Existenzgründungsförderung. 2000 Franken im Monat – das musste reichen. Zusätzlich habe ich Einzelanfertigungen verkauft und mir für mein Label Maison Blanche ein Atelier an der Schweizerischen Textilfachschule angemietet. Es war zäh, aber ich war kreativ.

 

“Viele Marken reden über Nachhaltigkeit, aber ich schaue genau hin: GOTS-zertifiziert, aber mit Polyesteretikett und Plastikhülle? Das reicht nicht.”

Yannik Zamboni, Creative Director & Founder Maison Blanche

 

Dann kam «Making the Cut» – und du hast gewonnen.

Das mit der Show war ein Zufallstreffer. Aus purer Verzweiflung dachte ich damals, dass ich durch meine Teilnahme zwei Monate kostenfrei leben könnte – und bin dann mit einer Million Startkapital und einem damit verbunden Deal mit Amazon rausgelaufen. Das war schon krass: Plötzlich war ich auf der New York Fashion Week, mein Label Maison Blanche war weltweit präsent. Aber nach eineinhalb Jahren hat Amazon die Bedingungen geändert und garantierte keine Abnahme mehr für meine Kollektionen. Ich hätte Personal einstellen müssen, ohne zu wissen, ob wir überhaupt etwas verkaufen. Das ging nicht.

Also hast du den Vertrag gekündigt?

Ja, das war das einzig Richtige, aber plötzlich hatte ich keinen Verkaufskanal mehr. Wir mussten auf Crowdinvesting setzen, um die Produktion zu sichern. 600’000 Franken klingen auf den ersten Blick vielleicht nach viel, aber in der Mode ist das ein kleiner Tropfen. Ein einziger Stoff, der unseren Standards genügt, kann schnell mehrere Zehntausend Franken kosten…

Deine Standards sind hoch: vegan, plastikfrei, faire Arbeitsbedingungen, politische Statements gegen Diskrimierung, Cradle-to-Cradle. Warum so kompromisslos?

Weil es sonst niemand macht. Ich habe nicht Mode studiert, um einfach schöne Kleider zu entwerfen. Es gibt schon genug schöne Kleider. Wenn ich keinen Impact habe, braucht mich diese Industrie nicht. Ich will echte Veränderung – von innen heraus.

Aber ist das realistisch – in einer Welt, in der Mode so stark über Konsum funktioniert?

Es ist schwierig, klar. Aber ich halte an meinen Grundsätzen fest – weil ich überzeugt bin, dass sich die Art, wie wir Mode produzieren und konsumieren, verändern muss. Selbst Konzerne wie H&M oder Amazon bieten inzwischen zirkuläre Produkte an – auch wenn das vor allem Marketing ist. Trotzdem: Wenn sie dadurch nur schon ein paar Stücke weniger falsch herstellen, hat das wegen ihrer Masse einen riesigen Impact. Will ich viele Menschen erreichen, brauche ich starke Partner – aber nur, wenn sie bereit sind, nach meinen Regeln zu spielen.

Prominente Unterstützung für seine Vision für Maison Blanche erhielt Yannik Zamboni bei “The Cut” von Heidi Klum. Noch heute sind die beiden befreundet.

 

Wird deine Mode und der Preis, der daran hängt, verstanden?

Maison Blanche ist klar im oberen Preissegment positioniert, aber die Leute denken bei Mode nur an die Produktionskosten. Eine Leggings für 710 Franken klingt verrückt – aber unsere Stoffe und Kollektionen brauchen jede Menge Entwicklung und Forschung. Dazu kommen Showroom-Mieten, Teamlöhne, Marketingkosten und so weiter. In diesen Leggings stecken ein selbstentwickelter Stoff, ein biologisch abbaubares Gummiband, faire Löhne und nachhaltige Chemie. Künftig will ich aber auch eine zweite, kommerziellere Linie aufbauen. Die Nachfrage ist da, aber auch das kostet Geld – und braucht Reichweite. Wir arbeiten an Kollektionen und Kooperationen und versuchen die Grossen für unsere Sache zu gewinnen – aber immer nach unseren Regeln.

Wie schwer ist es, alle deine Prinzipien im Produktionsalltag durchzuhalten?

Extrem schwer. Allein für ein veganes Parfum brauchten wir zwei Jahre Entwicklungszeit. Nicht nur die Duftstoffe mussten vegan sein, der Knochenleim in der Verpackung war für mich ein echtes Killerkriterium. So mussten die Hersteller umdenken, neue Tests machen – und alles verzögerte sich. Aber ich bleibe konsequent, sonst kann ich es gleich lassen.

Deine Kund:innen – wer sind sie?

Vor allem Menschen aus der Schweiz und Deutschland, zunehmend auch aus Frankreich, England und Skandinavien. Das hat sich verändert, aufgrund der Kooperation mit Amazon war es früher verstärkt Kundschaft aus den USA und Brasilien. Jetzt bauen wir in Europa eine Community auf. Dabei geht es nicht nur um Mode, sondern um Menschen, die unsere Werte teilen. Darum haben wir jetzt auch eine Community-Mitgliedschaft ins Leben gerufen, unabhängig davon, ob man bei uns einkauft oder nicht.

 

Ob Ciara, Kesha oder Teddy Swims – bekannte Musiker:innen zeigen sich gerne in den Kreationen von Maison Blanche.

 

Du hast viele prominente Kontakte. Wie ist es, mit Heidi Klum befreundet zu sein?

Heidi war nach der Show die Einzige aus dem Umfeld, die Kontakt hielt. Sie hat mich zu Events eingeladen und ist im Advisory Board von Maison Blanche. Und wer weiss, vielleicht kann sie mit ihren Kontakten ja in der nächsten Finanzierungsrunde helfen. Aber ich erwarte das nicht, wir sind in erster Linie Freunde.

Du engagierst dich auch bei der Schweizer Interessengemeinschaft Circular Clothing. Was reizt dich daran?

Der freie Austausch. In der Modebranche schottet sich jeder ab. Wir teilen Wissen, helfen uns mit Kontakten, Entwicklungen und mehr. Ich glaube an Open Source – wenn du wirklich etwas verändern willst, musst du bereit sein zu teilen. Ich wünsche mir von der Branche mehr Ehrlichkeit. Viele Marken reden über Nachhaltigkeit, aber ich schaue genau hin: GOTS-zertifiziert, aber mit Polyesteretikett und Plastikhülle? Das reicht nicht. Cradle-to-Cradle ist teuer, ja – aber notwendig. Aber es geht, es braucht nur mehr Wille.

Und dein nächstes Projekt?

Eine zirkuläre Sportsocke! Klingt simpel, ist technisch jedoch sehr komplex. Aber ich will zeigen, dass auch ein so einfaches Produkt wie eine Socke revolutioniert werden kann – ohne Kompromisse.

maisonblanche.swiss

 
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